Es fehlt mir.

Ich überlege, woran das liegt, dass ich nicht mehr blogge, dass ich es selten bis gar nicht tue. Sicher, gewisse analoge Arschgeigen aus meinem weiteren Umfeld, die ab und zu ungeladenerweise hier meinen Weg kreuzen, sind sicher ein Grund. Aber nicht der Grund. Vielleicht habe ich es verlernt – aber schon während ich den Satz begann, wusste ich, dass das Bullshit ist. Die Wörter sind weiterhin da, die stromern und mäandern unbeaufsichtigt durch meine Gehirnwindungen, wollen weiterhin hinaus, nicht unbedingt gelesen und wahrgenommen werden von der Welt, schlicht raus aus dem Gehirn, wo es so beengt und voll und laut ist, sie wollen raus, erbrochen in die Tastatur, einfach irgendwohin, um ihren Frieden zu finden.

Und sicher, der innere Stopper ist da, wegen der Arschgeigen da draußen, der Stopper, die innere Zensur, die sich fragt, oha, was denken die Arschgeigen, wenn ich Arschgeigen schreibe, ärgern sie sich, stoßen sie sich dran, könnten sie zu jemandem gehen und sich beschweren, weil die Haessy solche Wörter verwendet und das macht man ja doch nicht, pfuipfui, aber Arscheige ist ein schönes Wort, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es politisch korrekt ist, denn nun wirklich jede*r kann eine sein, wenn das nicht schön ist, weiß ich auch nicht. Und ich finde, man sollte auch im Jahr 2023 die Möglichkeit haben, Arschgeigen als das zu bezeichnen, was sie sind: Arschgeigen. Und wer solche Wörter generell nicht mag, kann ja woanders hingehen, auf die Seite der Apotheken Umschau oder so.

Was ist es dann, was mich abhält – die Frage lässt mich nicht los. Optimierungsscheisse, schießt es mir durch den Kopf. All diese Optimierungsscheisse. Früher bloggte man einfach und hat sich nicht mal Gedanken gemacht, ob der Titel denn auch lang genug für diese SEO-Kacke ist. Vielleicht bloggen andere, die ihr Geld mit was Vernünftigem verdienen und nicht wie ich mit Social Media und Internet und anderen Unsinn, bei dem es um Reichweite und CTAs geht, weiterhin unbeschwert und immer noch ohne sich zu überlegen, ob der Titel zu lang oder zu kurz ist für die Open-Graph-Angaben, welches Vorschaubild besser sei und überhaupt: Sind auch alle Keywords drin?!?! Die Antwort ist simpel: Ich mache das nicht mehr. Scheiss auf Optimierungsscheisse.

Vermutlich gibt es noch mehr Gründe. Dass ich immer so müde bin. Dass der Weg in die Insta-Stories so kurz ist und der Weg hierher so lang und beschwerlich scheint. Dass ich denke, jeder Satz, jeder Gedanke hier sollte ausgewogen und wichtig sein. Vermutlich ist es eine seltsame, sich gegenseitige Abwechslung aller Gründe, die mich gehindert hat in den vergangenen Jahren.

Aber es fehlt mir. Das Schreiben fehlt mir. Nicht das wichtige, das ausgewogene. Sondern das Schreiben an sich. Das dabei Zusehen, wie aus Wortfragmenten und Gedankenbruchstücken Sätze, Texte und am Ende ein Fazit entsteht. Nicht für die Welt, nicht für die Öffentlichkeit. Nur für mich.

Es fehlt mir. Aber da sich hier gerade einiges tut, sich vieles verändert, verändert sich das hier genauso. Vielleicht ist es schlicht an der Zeit, zurückzukehren.

Ich

Das bin ich. Ganz ohne Beautyfilter, Make-Up und genügend Schlaf.

Ich bin jetzt Vierzig.

Ich habe Hemmungen das zu sagen und zugleich finde ich es albern, dass ich diese Hemmungen habe.

Ich schneide mir alle ein bis zwei Jahre selbst einen Pony.

Ich bereue es jedes Mal.

Ich mag meinen Körper nicht sonderlich und finde mich zu fett.

Ich mochte meinen Körper schon nicht, als ich eindeutig gar nicht fett war und versuche mich häufiger zu hinterfragen, ob das tatsächlich ich selbst bin, die etwas schön oder hässlich findet.

Ich schaue zu viel fern und hänge zu viel am Handy.

Ich esse zu ungesund, hasse kochen und mag leere Kohlehydrate.

Ich nehme aber Vitamine, weil ich denke, dass ich so meinen Körper austricksen kann.

Ich mag meine Hunde lieber als die meisten Menschen.

Ich habe einen Sohn, für den ich verantwortlich bin, während ich mit der Verantwortung für mich selbst schon oft überfordert bin.

Ich bin neurodivergent.

Ich bin lustig.

Ich bin depressiv.

Ich wurde als Kind misshandelt und missbraucht.

Ich bin als Schülerin komplett durchs System gerutscht und es ist vermutlich purer Zufall, dass ich nie Drogen genommen habe.

Ich finde, der Joint in Israel zählt nicht.

Ich bin sitzengeblieben.

Ich habe meinen Magisterabschluss mit 1,6 bestanden.

Ich bin unfassbar stolz auf diesen Abschluss nach all dem Scheiss, den ich in der Schule durchgemacht habe.

Ich habe versucht, mich umzubringen.

Ich habe Angst zu sterben.

Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und eine große Klappe, was sich als Kombination häufig als nicht so gut für mich erwiesen hat.

Ich bin stoisch.

Ich bin emotional.

Ich fluche zu viel.

Ich bin zu laut.

Ich mache Witze über Dinge, die mich belasten, weil ich gelernt habe, dass Menschen häufig nicht mit belastenden Dingen umgehen können bzw. mit mir.

Ich habe fast immer einen Kopfhörer im Ohr.

Ich mag klassische Musik.

Ich kenne kein einziges Lied von Harry Styles.

Ich hab zu oft Migräne.

Ich mache zu selten Yoga.

Ich meditiere zu selten.

Ich mache viele Dinge, die mir eindeutig gut täten, zu selten.

Ich wäre gerne jemand anders.

Ich wäre gerne woanders.

Das bin ich.

All das. Und noch mehr.