Hashtag bitte nicht vergessen

Wisst ihr, welcher Tag heute ist? Also nicht der Wochentag oder welches Datum. Sondern welcher Tag. Es gibt ja für jedes Thema, jeden Furz, einen speziellen Tag. Allein im April gibt’s den Internationaler Kissenschlacht-Tag, Welt-Parkinson-Tag oder den National-High-Five-Tag in den USA. Das ist für Social-Media-Menschen super. Keine Idee für eigenen Content, für „richtige“ Inhalte? Kein Problem. Einfach eine komplett austauschbare Grafik basteln, auf der der Tag zelebriert und mit schwammig-mitfühlenden Worten darauf verwiesen und erklärt wird, warum der Tag heute so wichtig ist. Denn natürlich gibt’s neben dem Tag der Rosine, dem Rettet-die-Frösche-Tag oder dem Internationalen Tag des Nasebohrens (ich wünschte, ich würde mir die alle ausdenken …), immer wieder ernsthafte „Feiertage“.

An denen auf Krankheiten, Behinderungen, gesellschaftliche Probleme hingewiesen wird. Awareness-Tage halt. Das klingt doch super. Sehr seriös. Das kommt gut an in den entsprechenden Bubbles, jetzt nur nicht die passenden Hashtags vergessen, das wäre sonst blöd, wenn’s ja keiner mitkriegt und keiner liket und retweetet und teilt und bla. Denn darum geht es ja. Darin wird Awareness gemessen. Nicht in tatsächlicher Auseinandersetzung mit einem Thema. Sondern in Likes & Co.

Lässt sich auch in der nächsten Social-Media-Quartals Auswertung bei der Geschäftsführung viel eindeutiger darstellen – und so entscheiden, ob es sich lohnt [sic!], nächstes Jahr nochmal so einen Post zu machen.

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Keine Lust mehr.

Kann etwas, was öffentlich ist, zugleich privat sein? Ist man selbst schuld, wenn man sich im Netz äußert und/oder outet – und sei es nur bei scheinbar banalen Dingen – und es einem dann um die Ohren fliegt?

Früher musste man Kinder-Pyjamas im KZ-Look verkaufen, um einen öffentlichkeitswirksamen Shitstorm abzubekommen. Heute kriegt man (alias Ariana Barborie) den digitalen Arsch versohlt, wenn man es wagt, für den neu „angeschafften“ Hund nicht nach Rumänien zu brettern, um dort einen vor Verwahrlosung, Hunger und Tod zu retten, sondern einen hier in Deutschland von einer Familie holt, wo es ungeplanten Hundenachwuchs gab. Ekelhaft.

Man postet ein belegtes Brötchen mit Salami auf Instagram und läuft plötzlich Gefahr, dass Peta einem aufs Dach steigt. Man liebt grelles Make-Up, rasiert sich aber nicht die Beine und findet prompt Kommentare von der Inkonsequenz-Aufschrei-Polizei. Man twittert, dass man den Elternabend nur besoffen erträgt und darf sich die nächsten Tage mit der Mutter von Xaver auf WhatsApp auseinandersetzen, die einem abwechselnd Menschenhass und Alkoholismus vorwirft.

Das Netz. Ein Ort voller Möglichkeiten. Voller Potential. Und voller Schmocks.

Irgendwann vor zehn Jahren haben auch die letzten Uwes, Rabeas und Fraukes dieser Welt den Weg ins Internet gefunden. Die Zeit, in der man misstrauisch und irritiert gefragt wurde, was man da auf Twitter denn so schreibt und vor allem, wenn das interessiert, ist längst vorbei. Du fotografierst deinen Cappuccino so lange und oft, bis das Foto perfekt und das Kaffeegetränk kalt ist? Heute normal. Du rennst TikTok-Stories aufnehmend durch die gut gefüllte Innenstadt? Kümmert niemanden mehr.

Auf der einen Seite schön. Im Internet ist ja Platz für alle. Nur leider gibt’s keine Einlasskontrolle. Selbst bei der usseligsten Diskothek im tiefsten Brandenburg sorgen Zlatko und Timo an der Tür dafür, dass nur die reinkommen, die lediglich halbwegs besoffen sind und nicht nur rein wollen, um drinnen richtig Randale zu machen und komplett Fremden aufs Maul zu hauen.

Fürs Internet gibt’s keinen Zlatko.

Nicht verwunderlich. Schließlich ist das Internet kein geschlossener Raum, sondern öffentlich. Man wird ja nicht müde, genau das zu betonen.

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