Jene Tage

„Ihr werdet Euch noch diese Zeit zurückwünschen!“ Wenn ich jedes Mal, wenn ich diesen Satz in meiner Jugendzeit gehört habe, einen Euro bekommen hätte … nun, dann hätte ich sicherlich einige Euros.

Als Teenager hat man natürlich mit den Augen gerollt. Man war zu jung zum Arbeiten und selber Geld verdienen, hat stattdessen (wenn’s gut lief) Taschengeld bekommen, das selten genug war, musste zu einer bestimmten Uhrzeit zuhause sein, sein Gemüse aufessen und durfte sich nach einem anstrengenden Schultag nicht einmal einfach zwei fingerbreit Baileys auf Eis zu gönnen? Wie kacke war das bitte? Warum sollte man sich das zurückwünschen?

Oh, little did we know.

Ich werde mich hüten, zu meinem Sohn jemals zu sagen „Du wirst dir diese Zeit noch zurückwünschen!“, aber ich weiß natürlich gewisse Vorzüge jener Zeit durchaus zu schätzen – im Nachhinein, so wie es sich gehört, wenn es um Dinge geht, die man schätzen sollte. Krankenversicherung, Nebenkostennachzahlung, Einnahmen-Überschuss-Rechnung, degressive AfA – wie süß und unbeschwert waren bitte die Tage, in denen solche Begriffe einem nicht geläufig waren, keine Bedeutung hatten. Tage, in denen die verschissene Lateinklausur das größte Problem des Monats darstellte.

Natürlich möchte ich keineswegs zurück in jene Tage. Nicht nur wegen der beschissenen Lateinklausuren. Sondern, weil ich auch wahnsinnig gerne Ben & Jerry’s zum Frühstück esse, ins Bett gehe, wann ich will und wenn mein Dispo es erlaubt, einfach diese Noise-Cancelling-Headphones kaufe, die neben Nutella und Netflix vermutlich das einzige sind, die meinen müden, erwachsenen Körper am Laufen halten. Der Preis hierfür sind eben Umsatzsteuervoranmeldung und Stromkostenerhöhung. Man kann nicht alles haben. So einfach ist das.

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Einfach laufen lassen

Das weiße „Papier“. Der blinkende Cursor. Und die Frage, ob man das Schreiben verlernen kann. Das in Texten und Geschichten denken. Wenn die Worte sich völlig losgelöst von einem selbst, ganz von alleine scheint es, zusammenfügen, herauswollen, einfach weil es schlicht zu viele Wörter und Sätze für einen einzigen Körper sind, ein einziges Gehirn. Die Worte sind wie Krebs oder Eiter, sie quellen heraus, vermehren sich unkontrolliert – nur nicht so tödlich oder eklig. (Fällt mir kein schönes Beispiel ein, weil ich so lange nicht mehr schreibe oder weil ich generell kein Mensch bin, dem schöne Beispiele einfallen?)

Ich überlege, woran das liegt, dass ich nicht mehr schreibe.

Sicherlich nicht, weil es mir nicht fehlt.

Ich denke häufig daran. Ans Schreiben. Und vor allem, warum ich es nicht tue. Manchmal denke ich, ob es das jetzt war. Ob ich jetzt das habe und mache, was ich bei anderen früher spöttisch belachte: Ein Leben. Ein analoges Leben. Einen Job. Vollzeit. Ein Kind. Einen Hund. Einen Haushalt. So richtig mit jeden Tag Spülmaschine anmachen, eine Ladung Wäsche pro Tag und erwähnte ich schon Kind und Hund?

Und darüber hinaus noch einige andere unschöne Dinge und Baustellen, die Zeit und Energie fressen. (Und vermutlich die Ursache sind, dass mir nur unschöne Beispiele und Vergleiche einfallen.) Da klingt es doch logisch, dass man dann abends einfach ins Bett fällt, nichts mehr produzieren mag, nicht mehr für ein eingebildetes Publikum in die digitale Manege mag, sondern nur noch stumpf konsumieren möchte, eine Folge auf Netflix, eine halbe Stunde Candy Crush, vielleicht zwei Seiten in dem Buch, das man vor 11 Monaten gekauft hat und inzwischen auf Seite 27 ist. Das klingt nachvollziehbar. Ich kann gar nicht anders, sage ich mir dann und finde das sehr beruhigend.

Nur weiß ich natürlich, so ganz tief in mir drin, dass das Bullshit ist. Hanebüchener sogar.

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