Der Plan

Das, was ich beruflich mache, war so nie geplant. Zum einen, weil es diesen Beruf damals™️in meiner fern, fern zurückliegenden Jugend noch gar nicht gab. Facebook war nicht mehr als ein feuchter Gedankenfurz irgendwie in den Untiefen von Mark Zuckerbergs vor sich hinzuckendem Kleinhirn, ICQ war gerade aus der digitalen Plazenta gekrochen und MySpace winkte noch scheu am Horizont. Irgendwann also beruflich was mit dem Internet zu machen – vor allem in dieser Dimension – war wirklich nicht als Lebensidee vorgesehen.

Ich wusste als Heranwachsende vor allem eines: Ich wollte keinen Bürojob.

Dazu kann ich nur sagen: Haha. Hahahahaha. Ha. Well done.

Ich fand Anthropologie spannend. Archäologie. Ägyptologie. Oder in einem Zoo oder einer Auffangstation im Ausland zu arbeiten. Ich wollte also entweder was mit lebenden Tieren oder nicht lebenden Menschen machen.

Da sich die durchschnittlichen Menschen im Netz gerne wie Affen oder Zombies verhalten, könnte man durchaus die These vertreten, dass ich dieser Idee am Ende dann – wenn auch unbeabsichtigt – doch recht nahe gekommen bin. Der Unterschied ist jedoch: Von den lebenden Tieren oder nicht lebenden Menschen in meinem Berufsalltag versprach ich mir damals™️ einen erfreulichen Arbeitsalltag, wenn nicht sogar einen generell zufriedenstellenden Lebensverlauf. Jede:r, der sich länger als drei Minuten auf X aufhält, weiß, dass dieser Ort weder erfreulich noch zufriedenstellend ist. Er ist eher etwas, über das Sarte schreiben würde. Oder Dante. Oder de Sade. De Sade würde X lieben!

Ich jedoch liebe es nicht.

Ich bin dort – ähnlich wie in fast alle meine Lebensentscheidungen – so reingerutscht. Ich verbrachte in einer Periode der Menschheit eine gewisse Zeit im Internet, in der es dort vor Liebe (wir nannten sie Öpve) nur so triefte. Alles war perfekt und wunderschön und kein Hass war weit und breit zu sehen. (Nein, natürlich nicht, aber es war tausendmal geiler als heute und das kommt dem hier beschriebenen Szenario ja dann schon verflucht nahe.)

Da es den Beruf eines Social-Media-Managers oder -Redakteurs noch nicht offiziell gab – und dementsprechend auch keine offizielle Ausbildung, denn wir sind hier schließlich in Deutschland und wir brauchen bitte ein Zertifikat FÜR ALLES, WO KOMMEN WIR DENN DAHIN?!? – wurde man in der Regel eine der ersten Social-Media-Redakteure dieses Landes, wenn man wusste, was der Unterschied zwischen Tumblr, Facebook und Twitter war.

Das ist die gekürzte Version, wie ich meinen ersten Job in diesem Bereich bekam. Ich war zuvor ungeplant schwanger (eine weitere reingerutschte Lebensentscheidung, siehe oben) geworden, hatte ein Kind bekommen und befand mich in der seltsamen Situation nach meinem Geschichtsstudium erstmal nichts mit nicht lebenden Menschen (siehe ganz weit oben) machen zu können. Ich kannte mich aus mit Nazis und Ethik – und auch wenn mir das heute ironischerweise im Netz wieder sehr oft sehr viel zu Gute kommt, konnte ich als Neu-Besitzerin eines Säuglings beruflich damit nur wenig anfangen. Warum also nicht ein bisschen Social Media? Damit kannte ich mich aus. Oder zumindest mehr als der durchschnittliche Deutsche.

Start-Ups. Verlagshäuser. Print-/Online-Magazine. Agenturen. Ich durchlief die verschiedensten Stationen im Laufe der Jahre. So unterschiedlich sie äußerlich auch wirken mögen – innerlich läuft es bei der digitalen Kommunikation in der Regel recht gleich ab. Und das bedeutet gleich hohl. Es geht immer darum, jemand Unbekannten an einem Bildschirm etwas zu verkaufen. Klick das. Kauf dies. Lies jenes.

Wie schon angedeutet: Würde Dante heute leben, würde ein Kreis der Hölle sicherlich mit sozialen Netzwerken zu tun haben.

Ich wollte irgendwann eigentlich aussteigen, war es auch schon fast. Da krochen die Faschisten aus den Geschichtsbüchern hervor und stellten sich als gar nicht mal so untot heraus. Und durch einen Zufall kam ich in einen Bereich der digitalen Kommunikation, in dem ich nun noch immer bin: Die politische Kommunikation.

Vermutlich einer der sinnvollsten Jobs in dieser Branche. Aufklären, erklären und für demokratische Werte einstehen.

Geplant war das nicht. Nicht nur, weil es damals diesen Job nicht gab. Sondern auch, weil ich damals™️, während des Studiums, noch dachte Nazis in den Parlamenten seien wie die Ptolemäer auf Pharaonenthronen: Ausgestorben.

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